YPERN MON AMOUR / Ausstellungen

YPERN MON AMOUR im Foyer des Deutschlandfunk Köln

vom 28.März 2014 – 11.April 2014


YPERN MON AMOUR in der Universitätsbibliothek Bochum

vom 08.Mai 2014 – 04.August 2014


 
YPERN MON AMOUR in der Gedenkstätte Abri-mémoire Vieil Armand (Hartmannsweilerkopf) in Uffholtz (Frankreich)

vom 06.Juni 2014 – 28.September 2014


YPERN MON AMOUR im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum Osnabrück

vom 25.September 2014 – Mitte Januar 2015


Ausstellungseinführung von PD Dr. Thomas Schneider

Ypern mon amour einfuehrung.pdf
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Ypern mon amour

Einführung, 25. September 2014

Als Alain Resnais 1959 seinen Film Hiroshima, mon amour drehte, war der Zweite Weltkrieg noch sehr präsent. Resnais stellte sich die Frage nach Erinnern und Vergessen, in dem er eine französische Schauspielerin in eine Liebesbeziehung zu einem japanischen Architekten in Hiroshima brachte – zwei nun ehemalige Kriegsgegner. Hiroshima, mon amour ist eine komplexe Auseinandersetzung mit dem Erbe des Krieges, mit den psychischen Verletzungen und den Versuchen, sie zu überwinden. Und Hiroshima als Ort eines der größten Kriegsverbrechen dieses Zweiten Weltkrieges war dafür das passende Symbol. Die Ausstellung, die wir heute eröffnen trägt in diesem Zusammenhang nicht zufällig den Titel Ypern mon amour.

Am 26. Juni 2014 fand der EU-Gipfel in der belgischen Stadt Ypern statt, und dies war der Ort, an dem unausgesprochen das offizielle Gedenken der europäischen Politik an die Opfer des Ersten Weltkrieges vollzogen wurde. Seit dem Treffen zwischen Helmut Kohl und Francois Mitterand, das 1984 im als Fotoikone dokumentierten Händchenhalten mündete, war Verdun als das mythisierte Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges für ein derartiges Unterfangen protokollarisch gewissermaßen verbrannt. Und nicht zuletzt beriet man in Ypern ja 100 Jahre nach Ausbruch des Krieges, den man im Gedenken bannen wollte, schließlich auch über Strafmaßnahmen gegen den in der Figur des russischen Präsidenten personalisierten Ukraine-Konfliktes. Ypern war also gut gewählt, werden dort doch bis heute jeden Abend um 20 Uhr die Töne des Last Post intoniert im Gedenken an die Opfer dieses Krieges.

Erich Maria Remarque selbst war nicht in Ypern, blieb die Stadt doch während des gesamten Krieges in Händen der Entente, aber kaum 20 Kilometer entfernt, zwischen Handzaeme und Kortemark, zerstörten am 31. Juli 1917 einige Granatsplitter den Traum des Schanzsoldaten Erich Paul Remark, Berufsmusiker zu werden. Nebenbei fielen an diesem einen Tag, dem 31. Juli 1917, 31.000 alliierte Soldaten – vor allem Briten. Was heute noch dazu führt, dass in der deutschen Erinnerung dieser Angriff als 3. Ypernschlacht bezeichnet wird, in Großbritannien jedoch schlicht als »Passchendaele« – nach dem Ort, den es eigentlich zu erobern galt. Insgesamt betrugen die Verluste in den folgenden Monaten im Rahmen dieser Offensive mehr als 500.000 Soldaten auf beiden Seiten, einer von ihnen war Remarque.

In Ypern kreuzen sich also die Linien der Erinnerung zwischen gestern und heute, zwischen großer Politik und großer Literatur, zwischen einem vergangenen und einem gegenwärtigen Krieg. Welchen passenderen Titel hätte man wählen können, um dies zu verdeutlichen, als Ypern mon amour.

In diesem Jahr 2014 geht es allerorten und vor allem in den Medien um die Erinnerung und letztlich Vergegenwärtigung des Ersten Weltkrieges. Doch wessen erinnern wir uns und auf welcher Basis? Die Zeitzeugen sind ausgestorben, ihre Berichte liegen nur in zweiter Hand vor, vermittelt. Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque ist das beste Beispiel dafür, wie kontrovers selbst noch die Zeitzeugen die nahe Vergangenheit betrachteten. Im allgemeinen Medienhype um den Ersten Weltkrieg in diesem Jahr 2014 gibt es nun keine Stimme mehr, die ernsthaft den Ersten Weltkrieg nicht als Mahnung und als Beispiel für die Sinnlosigkeit und Entwürdigung moderner Kriegführung betrachtet. Und die Entrüstung und das Unverständnis für die fälschlicherweise stets behauptete allgemeine Begeisterung bei Kriegsbeginn sind dabei stets spürbar und gewissermaßen globaler Konsens– leider ohne nachhaltige Wirkung.

Aber erstaunlich ist in meinen Augen, mit welcher Selbstverständlichkeit die alten Bilder dieses Ersten Weltkrieges wieder verwendet werden, die alten, vorgeblich authentischen, Photographien, die Postkarten, die Feldpostbriefe. Sämtlich mit der Aura des historischen Originaldokumentes ausgestattet geben sie uns ein fein justiertes Bild dieses Ersten Weltkrieges, das nahezu sämtlich in den während des Krieges von allen Kriegsparteien gegründeten Propagandainstitutionen konzipiert und gerade mit diesen ›Dokumenten‹ realisiert wurde – denen wir heute unser Bild des Ersten Weltkrieges entnehmen. Irgendetwas kann da also nicht stimmen.

Aber wie dem beikommen, wenn nichts anderes zur Verfügung steht? Diese Frage haben sich, resultierend aus der aufrichtigen Entrüstung über ein millionenfaches, sinnloses Sterben, die Essener Künstler Harald Reusmann und Frank Wolf gestellt. Wie ist ein Weg zu finden, hinter diese (Propaganda-)Bilder? Wie können sie in Frage gestellt werden über den scheinbar nur medienkritische Betrachter interessierenden Verweis auf die Entstehung der Bilder aus dem Propagandazusammenhang heraus?

Ihre Antwort können Sie in der Ausstellung Ypern mon amour finden. Als Harald Reusmann und Frank Wolf sich vor nunmehr zwei Jahren an uns wandten mit dem Projekt der Ausstellung Ypern mon amour, da erschienen sie mir geknickt von dem Unverständnis, mit dem sie konfrontiert wurden angesichts ihres Projektes, die alten, angeblich authentischen Bilder zu hinterfragen. Sie erfuhren Reaktionen die bis zu dem Vorwurf reichten, Harald Reusmann und Frank Wolf wollten sich über die Toten lustig machen, ihr »Opfer« gewissermaßen »entehren«.

Doch das Gegenteil ist der Fall: Allein schon durch die schiere Größe, das gewaltige Format der Photoarbeiten erfolgt die Aufforderung an uns Betrachter, genau und genauer hinzusehen, denn nur so erschließen sich die Arbeiten. Und das erinnert an die Arbeiten von Jeff Wall, speziell sein Dead Troops Talk von 1992, das ebenfalls in seiner monumentalen Größe zum genauen Hinsehen zwingt.

Und wie bei Jeff Wall ist das bei Harald Reusmann und Frank Wolf nicht bierernst gemeint, sondern mit Ironie und – wenn Sie so wollen – Sarkasmus gewürzt. Da ziehen die von Feldgrauen bewachten französischen Kriegsgefangenen schon mal im Kölner Karnevalszug mit, da wird im allseits populären Feldgrauenkartenspiel in der Tat immer auch mit dem Tod gespielt, da tätschelt auf einer Feldpostkarte schon mal ein Soldat seinem Sohn den Kopf, da sind die kriegsfreiwilligen Studenten im universitären Hörsaal noch mit Mensursäbel und Bierseidel bewaffnet, aber eben auch schon mit Gewehren. Aber sehen Sie selbst.

Und diese Ironie und dieser Sarkasmus sind es gerade, die den Blick öffnen für den Sinn der als Vorlage verwendeten originalen, traditionellen Bildmotive, für ihre Funktionen und Zielsetzung, für ihre Gebundenheit in der Zeit des Krieges und dafür, dass dem, was gezeigt wird, nur mit einem Lachen begegnet werden kann, das einem allerdings im Halse stecken bleibt. Kein Zweifel, Harald Reusmann und Frank Wolf desavouieren die Bilder, mit denen wir ständig in diesem Jahr und noch lange darüber hinaus konfrontiert werden. Sie sind nicht auf der Suche nach irgendeiner »Wahrheit« hinter den Bildern, sondern an den Bildern selbst und ihren Inhalten interessiert. Sie lernen uns sehen – mit zahllosen Verweisen auf andere Künstler und kluge Köpfe, die vor ihnen bereits den Bildern misstraut haben.

Und dies alles auf eine Art und Weise, die an Erich Maria Remarque gemahnt, dem der Erste Weltkrieg sein Weltbild zerbrach, ihm aber zugleich zu einer neuen Überzeugung finden ließ, mit der er sich als »militanter Pazifist« bezeichnete. Allerdings mit einem Zusatz, den er im Brief an Hanns-Gerd Rabe vom 9. Mai 1957 wie folgt formulierte: »Ich habe gestern mein Lebens-Credo auf 3 Worte zusammengestellt: Unabhängigkeit – Toleranz und Humor – (nicht als Limitation sondern als Basis) und von da aus kann man dann ausgreifen«. Harald Reusmann und Frank Wolf greifen mit Ypern mon amour aus zu neuen Perspektiven, zu ungewöhnlichen Kombinationen und zu einem Kunstprojekt, das nicht nur den Osnabrücker Veranstaltungen zum Ersten Weltkrieg einen gewichtigen Aspekt hinzufügt.


YPERN MON AMOUR im Schloß Ebringen

vom 11.11.2018 bis 07.12.2018